Partnerschaft Erfurt – Bradford: What’s going on?

von Matthias Rein

2019 ist ein intensives Partnerschaftsjahr: Konzerttour des Bradford Cathedral Choir im Mai in Erfurt; Besuch von 5 Mitgliedern der Bradforder Erfurt-Gruppe beim Empfang des Kirchenkreises zu 30 Jahre Friedliche Revolution am 7.10.2019 in Erfurt; eine Woche Konzerttour der Augustiner-Kantorei durch Yorkshire im Oktober; Predigt von Bischof Jonathan aus Huddersfield am 10.11.2019 auf dem Domplatz in Erfurt. Ausfallen musste leider die Jugendbegegnung Erfurt-Bradford-Südafrika in diesem Sommer. Den Südafrikanern fehlte das Geld für die Reise. Viele Begegnungen, Gespräche, gemeinsame Projekte, Gebete, Kennenlernen und Verstehen. Trotz Brexit in England und Rechtspopulismus in Deutschland.
Wie geht es weiter? 
Reverend Michael Candale aus Keighly plant einen 3 wöchigen Studienaufenthalt in Erfurt im Rahmen eines Sabbaticals in 2020. Der Kirchenmusiker aus St. Margarets (Ilkley) beginnt ein Masterstudium in Berlin, die Mitglieder seines Chores wollen Berlin und Erfurt besuchen. Das gemeinsame Musizieren ist eine wunderbare Möglichkeit, die Partnerschaft weiter zu pflegen. Der Jugendaustausch geht weiter. Spannend könnte ein intensives Gespräch über die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus in England und Deutschland sein. Und interessant wäre sicher ein Austausch darüber, was Kirche für Kinder und Familien tut. Ideen gibt es einige, weitere Ideen sind sehr willkommen!
Bischof Jonathan ist der anglikanische Chairman der Meissen-Kommission, in der grundlegende theologische Gespräch zwischen der EKD und der Church of England über weitere Schritte zur sichtbaren Einheit geführt werden. Senior Matthias Rein wird ab 2020 in dieser Kommission mitarbeiten und bringt die Erfahrung der lebendigen Partnerschaft zwischen Erfurt und Bradford ein.
Auch das befördert die Partnerschaft. Und in Zeiten des Auseinanderdriftens in Europa bekommt unsere Partnerschaft neue Bedeutung und spannende Dynamik. Wir freuen uns über alle, mit mitmachen mit Ideen, Beherbungen, Teilnahme an Fahrten, Austausch und Begegnung.

Neue Wege der Church of England

Gedanken von Martin Borowsky

„Real People, honest talk“, so beschreibt uns Regionalbischof Toby ein Programm in Bradford, bei dem Menschen im geschützten Raum der Kirche frei reden können sollen.

„Honest talk“ tut not, in einer aktuell von Missbrauchsskandalen geschüttelten Kirche, die zu einem „safer place“ für Kinder und Jugendliche werden möchte. Der Gottesdienst in der Bradford Cathedral, zu dem wir vor einer Woche singen durften, war diesem „safeguarding“ gewidmet …

Das Programm tut not in einer Stadt, die – einst aufgrund der Textilindustrie wohlhabend – bis vor kurzem im rasanten Niedergang begriffen war, immerhin, der Maler David Hockney wuchs hier auf, ein Sinkflug mit „Rassenunruhen“ (2011 zur Weihe von Bishop Nick sah ich noch Brandspuren), mit einer harten, brutalisierten City, mit der höchsten Mordrate landesweit, und mit immensen Brachflächen sowie Verfall; hier ist mittlerweile eine Wende zum Besseren eingetreten, durch städtebauliche Projekte wie den preisgekrönten City Park oder das restaurierte Musicaltheater „Alhambra“, unübersehbar das National Science and Media Museum, durch Sozialarbeit, Geld, good will, die Kirche vorne an.

Der Dialog tut not in einer Stadt mit unglaublicher religiöser Vielfalt, die wir auf dem Faith Trail erleben durften, Christen, Moslems, Hindus, Sikhs, wenige Juden, und mit dem wohl höchsten Migrantenanteil in England.

Honest talk, eine aufrechte, offene Rede, auch um dem grassierenden Populismus Einhalt zu gebieten.

Wir treffen eine Kirche an, die „Kirche für andere“ sein möchte, wie sie Dietrich Bonhoeffer anstrebte, der – wie wir entdecken – im November 1933 vor Ort die Bradforder Erklärung initiierte, die sich gegen die drohende „Nazifizierung“ der deutschen Kirche(n) wandte. Eine Tafel an der Deutschen Protestantischen Kirche erinnert daran. Bonhoeffer, der in England sehr präsent ist, wollte „dem Rad in die Speichen greifen“. Ist es ein Zufall, dass uns in dieser Woche immer wieder die Nachrichten um den sächsischen Skandalbischof Rentzing beschäftigen?

Wir treffen in Yorkshire Kirchenräume an, die nicht nur sakral und erhaben wirken, sondern zugleich Teil eines öffentlich-privaten Raumes sind, „Wohnzimmer“, wie ein Mitsänger es trefflich nannte, mit kuscheligen Sitzecken, Kinderspielzeug, liebevoll gehäkelten Kissen, und sogar eigens installierten Küchen, aus denen vor dem Gottesdienst oder einem Konzert Essen ausgereicht wird. Wo erlebt man in Deutschland, dass mitten im Kirchenschiff Stände rund um das Thema “ Ökologisch leben“ aufgebaut werden?

Die Church of England geht neue Wege. Jüngst hat sie einen ehemaligen Nachtklub oberhalb des Bradforder Rathausplatzes angekauft, um ihn zu einer Kirche umzugestalten. Vertraut den neuen Wegen.